Erstattungsbescheide des Jobcenters verjähren nach 4 Jahren

Das BSG hat mit Urteil vom 04.03.2021 – B 11 AL 05/20 R festgestellt, dass ein Anspruch eines Sozialleistungsträger auf Erstattung überzahlter Leistungen vier Jahre nach Bestandskraft des Erstattungsbescheides verjährt.
Nur wenn die Behörde nach dem Erstattungsbescheid noch einen Bescheid zur Feststellung oder Durchsetzung der Forderung erlässt, verjährt der Anspruch erst nach 30 Jahren.
Solche Bescheide werden bislang selten erlassen, sodass Erstattungsforderungen des Jobcenters häufig verjährt sein dürften.
Daher berufen sich Jobcenter oft darauf, dass die Mahngebührenbescheide, die sie regelmäßig erlassen, als solche Bescheide zur Feststellung und Durchsetzung der Forderung zu werten seien. Dem hat das BSG nun einen Riegel vorgeschoben. Im Terminsbericht (die Urteilsbegründung liegt noch nicht vor) heisst es dazu: „Die Mahnung […] einschließlich des Mahngebührenbescheides führten nicht dazu, dass die vierjährige in eine 30jährige Verjährungsfrist übergegangen ist.”
Es bleibt also in der Regel bei der vierjährigen Verjährungsfrist. Die Verjährung tritt immer zum Ende des Kalenderjahres, also zum 31.12. eines jeden Jahres ein. Das „angebrochene” Jahr, in dem der Verwaltungsakt erlassen wird, kommt hinzu. Beispiel: Das Jobcenter hat am 15. Juni 2017 einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid erlassen. Wenn nicht vor dem 31.12.2021 ein Feststellungs- oder Durchsetzungsbescheid ergangen ist (z.B. eine Aufrechnungserklärung), ist die Forderung zum 1. Januar 2022 verjährt. Der Betreffende müsste sich gegenüber dem Jobcenter dann auf Verjährung berufen.

Zusicherung auch bei Umzug in eine unangemessene Wohnung

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat mit Beschluss vom 29.09.2020 – L 11 AS 508/20 B ER entschieden, dass die Regelung in § 67 Abs. 3 SGB II, wonach die Miete unter bestimmten Voraussetzungen für 6 Monate als angemessen gilt, auch bei einem Umzug in eine neue Wohnung gilt.

Dies hat weitreichende Konsequenzen:

Bezieher von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII erhalten bei einem erforderlichen Umzug auch dann ein Zusicherung des Jobcenters / Sozialamtes hinsichtlich der Miete für die neue Wohnung, wenn diese Miete über den Angemessenheitsgrenzen liegt. Das Amts muss die Miete dann zunächst in voller Höhe übernehmen. Wird zu Beginn des Bewilligungszeitraums umgezogen, beträgt die Frist 6 Monate. An diese 6 Monate schließt sich dann noch das Kostensenkungsverfahren gemäß § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II an, welches nochmals 6 Monate dauern kann. Im günstigsten Fall muss das Amts also die eigentlich unangemessene Miete für 12 Monate übernehmen.

Da die Miete der neuen Wohnung zunächst als angemessen gilt, muss ein auch Kautionsdarlehen gewährt und die Umzugskosten übernommen werden.

Wichtiger Hinweis:

Den Mietvertrag erst unterschreiben, wenn eine Zusicherung hinsichtlich der Miete, der Umzugskosten und der Gewährung eines Kautionsdarlehens beantragt und diese Zusicherungen auch tatsächlich vom Amt erteilt worden sind.

 

Jobcenter muss FFP2-Masken bezahlen

Das Sozialgericht Karlsruhe hat in einem Beschluss vom 11.02.2021 – S 12 AS 213/21 ER entschieden, dass das Jobcenter zusätzlich zum Regelsatz entweder als Sachleistung wöchentlich 20 FFP2-Masken an den betreffenden Hartz4-Empfänger verschicken oder als Geldleistung hierfür monatlich weitere 129,- € zahlen muss.

Diese Entscheidung gilt nur für den betreffenden Leistungsbezieher in dem Verfahren. Dennoch stehen die Chancen nicht schlecht, dass sich auch andere Sozialgerichte an dieser Entscheidung orientieren werden.

Wenn Sie Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII beziehen, sollten Sie deshalb bei Ihrem zuständigen Jobcenter / Sozialamt einen entsprechenden schriftlichen Antrag stellen. Setzen Sie für die Entscheidung eine Frist von 5 Tagen und stellen Sie sicher, dass Sie den Zugang Ihres Schreibens nachweisen können (am besten per Fax oder per Einschreiben mit Rückschein verschicken).

Sollte der Antrag abgelehnt werden oder innerhalb der Frist keine Reaktion erfolgen, können Sie sich gerne melden.

Online-Unterricht: Jobcenter muss für Computer sorgen

Das Landessozialgericht Thüringen hat in einem Beschluss vom 08.01.2021 – L 9 AS 862/20 B ER entschieden, dass das Jobcenter die Kosten für die Anschaffung eines Computers nebst Zubehör (Bildschirm, Tastatur, Maus, Drucker mit Patronen) in Höhe von insgesamt 500 € erstatten muss, weil dieser für die Online-Unterricht zu Hause benötigt wurde (ähnlich schon LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 22.05.2020 – L 7 AS 719/20 B ER).

Geklagt hatte eine 13-jährige Schülerin, die Leistungen nach dem SGB II bezog. Die Schule hatte geschlossen und der Unterricht fand nur noch online statt. In dem Haushalt der Familie gab sonst nur noch ein internetfähiges Smartphone. Für den Unterricht musste die Schülerin auf eine „Schulcloud“ zugreifen, um sich dort Unterrichtsmaterial zu besorgen.

Das Gericht war der Auffassung, das Smartphone sei aufgrund des kleinen Formats für den Unterricht ungeeignet. Auch sei eine Leihgabe von Computer nebst Zubehör durch die Schule nicht möglich. Die Anschaffung der Geräte sei deshalb zur Verwirklichung des Rechts auf Bildung und der Chancengleichheit zwingend erforderlich.

Tipp:

Wenn in Ihrer Bedarfsgemeinschaft schulpflichtige Kinder sind, kein Computer für den Online-Unterricht zur Verfügung steht (auch keine Leihgabe) und die Schule wegen der Corona-Pandemie geschlossen hat, stellen Sie einen Antrag auf Kostenerstattung beim Jobcenter. Setzen Sie für die Entscheidung über diesen Antrag eine Frist von zwei Wochen. Sollte der Antrag abgelehnt werden oder innerhalb der Frist keine Reaktion erfolgen, beauftragen Sie einen spezialisierten Rechtsanwalt.

Zugehörigkeit zur Corona-Risikogruppe ist ein wichtiger Grund für Fernbleiben bei Jobcenter-Termin

Das Sozialgericht Hildesheim hat mit Beschluss vom 02.12.2020 – S 58 AS 4177/20 ER entschieden, dass das Jobcenter keine Sanktion wegen eines verpassten Termins verhängen darf, wenn der Leistungsbezieher zur Corona-Risikogruppe gehört und nicht zum Termin erschienen ist, weil er eine Ansteckung befürchtete. In einem solchen Fall liege nämlich ein wichtiger Grund vor.