Änderung des SGB II wegen der Corona-Krise

Bundestag und Bundesrat haben wegen der Corona-Krise wichtige Änderungen des SGB II beschlossen (Bundesgesetzblatt 2020 Teil I Nr. 14, S. 575):

– Wenn der Bewilligungszeitraum in der Zeit zwischen dem 31. März 2020 und dem 31. August 2020 endet, ist für die Weiterbewilligung kein erneuter Antrag erforderlich. Der zuletzt gestellte Antrag gilt insoweit einmalig für einen weiteren Bewilligungszeitraum fort. Die Leistungen werden unter Annahme unveränderter Verhältnisse von Amts wegen weiterbewilligt

– Die Vermögensprüfung entfällt für sechs Monate, wenn kein erhebliches Vermögen vorhanden ist. Dies wird vermutet, wenn der Leistungsbezieher im Erstantrag erklärt, dass er kein erhebliches Vermögen besitzt

– Es werden für sechs Monate auch die unangemessenen Kosten der Unterkunft (Miete, Heizkosten) übernommen, es sei denn diese wurden schon im vorherigen Bewilligungszeitraum nicht vollständig anerkannt

Sanktion wegen eines verpassten Termins

Das Sozialgericht Berlin hat mit Urteil vom 31.01.2020 – S 37 AS 13932/16 entschieden, dass in der Rechtsfolgenbelehrung auf der Terminseinladung darauf hingewiesen werden muss, dass der Termin nicht als versäumt gilt, wenn der Betreffende sich noch am selben Tag beim Jobcenter meldet (ähnlich schon SG Leipzig, Beschluss vom 09.09.2016 – S 22 AS 2098/16 ER).

War der Termin also um 09:00 Uhr und hat der Leistungsbezieher sich um 15:00 Uhr beim Jobcenter gemeldet, um den Termin nachzuholen, gilt der Termin als nicht verpasst (vgl. § 309 Abs. 3 S. 2 SGB III).

Wird dies in der Rechtsfolgenbelehrung nicht erwähnt, kann eine nachfolgende Sanktion erfolgreich mit dem Widerspruch angegriffen werden.

Jobcenter muss Kosten für Beseitigung von Bettwanzen übernehmen

Die Kosten für die Beseitigung von Bettwanzen müssen vom Jobcenter übernommen werden (SG Reutlingen, Beschluß vom 13.11.2019 – S 4 AS 2464/19 ER).

In dem zugrundeliegenden Fall hatte das Jobcenter sich geweigert, diese Kosten von immerhin 1.700,- € zu tragen und auch der Vermieter wollte nicht zahlen.

Die betroffene alleinerziehende Mutter beantragte daraufhin einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht. Sie machte geltend, jede Nacht würden Bettwanzen sie und ihre beiden zwei und vier Jahre alten Kinder im Bett anzapfen. Dies sei absolut eklig. Jeden Morgen könnten sie die Bisse zählen und die Blutspuren vom Bettlaken beseitigen.

Das Sozialgericht entschied, die Kosten für die Schädlingsbekämpfung seien als Kosten der Unterkunft vom Jobcenter zu tragen. Ein Bettwanzenbefall sein wegen der Gefahr der Weiterverbreitung, der psychischen Belastung und möglicher sozialer Isolierung kein hinnehmbarer Zustand.

Sanktionen bei unter 25-Jährigen

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat am 26.11.2019 – L 29 AS 6552/19 ER in einem Eilverfahren entschieden, dass Sanktionen oberhalb von 30 % auch bei unter 25-Jährigen unzulässig sind (die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 05.11.2019 gilt nur für über 25-Jährige).

Des Weiteren wurde entschieden, dass im konkreten Fall auch die 30%-Sanktion rechtswidrig ist, weil diese unabhängig von der Bereitschaft zur nachträglichen Mitwirkung für 3 Monate festgelegt worden war.

Diese Entscheidung ist vor allem für diejengen Leistungsbezieher von Bedeutung, gegen die eine bislang nicht bestandskräftige Sanktion von 30% oder mehr verhängt worden ist. Auch wenn die Sanktion vor der Entscheidung des BVerfG ergangen ist, kommen die dort aufgestellten Grundsätze zur Anwendung.

Sanktionen von mehr als 30 % bei über 25-Jährigen verfassungswidrig!

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 05.11.2019 – 1 BvL 7/16 entschieden, dass Sanktionen in Höhe von 60% oder 100% des Regelsatzes bei Leistungen nach dem SGB II („Hartz4“) nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

Außerdem muss auch bei 30%-Sanktionen im Einzelfall geprüft werden, ob eine besondere Härte vorliegt und die Sanktion kann bei Nachholung der verletzten Pflicht vorzeitig beendet werden. Ist die Nachholung unmöglich, reicht es aus, wenn der Leistungsbezieher glaubhaft und ernsthaft versichert, zukünftig seinen Pflichten nachzukommen.

Die Entscheidung gilt zwar unmittelbar nur für Sanktionen bei über 25-Jährigen, die aufgestellten Grundsätze dürften aber nach unserer Rechtsauffassung bei Sanktionen von unter 25-Jährigen ebenfalls zum Tragen kommen.